Bildungshaus St. Michael in Pfons bei Matrei am Brenner

Architektur im Sinne gelebter Nachhaltigkeit

Text: DI Caterina Molzer-Sauper | Foto (Header): © eli_zweiraum

Das Bildungshaus St. Michael nahe der Grenze zwischen Österreich und Italien ist in vielerlei Hinsicht ein Vorzeigeprojekt, entstanden aus einem perfekt miteinander funktionierenden Netzwerk und gemacht für Menschen, die gemeinsam unterschiedlichste Veranstaltungen erleben wollen.

Auszug aus:

EnEV Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe November / Dezember 2019
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Nach 14 Monaten Bauzeit wurde das neu errichtete Bildungshaus St. Michael in Matrei am Brenner im April 2018 feierlich eröffnet und seiner Bestimmung übergeben. Mit dem Neubau des Gebäudes setzt die Diözese Innsbruck ein deutliches Zeichen für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Vom Entwurf bis hin zum kleinsten Detail hat das Architekturbüro teamk2 hier ein Musterbeispiel für einen großvolumigen Holzbau entwickelt. Das neue Bildungshaus ist in Holzbauweise errichtet, insgesamt stehen für den Bildungsbetrieb zwölf Seminarräume und 58 Zimmer zur Verfügung. Der Bauherr sieht sich selbst in einer Vorbildwirkung, Hilfe und Anleitung dazu bot die zweite Enzyklika von Papst Franziskus. Die Verlautbarung mit dem Titel „Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Umwelt- und Klimaschutz und der damit verbundenen Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. In seinem Text äußert sich der Papst klar zur Abkehr von Öl, Kohle und Gas und dem notwendigen Ausbau erneuerbarer Energieträger.

Ein Ort der Kraft am See

Der „Kraft-Ort“, Namensgeber ist der Betreiber der einstigen „Kraft-Villa“ Franz Kraft, wurde neu belebt und soll vielen Menschen (Herzens-)Bildung und Erholung bringen. Das Haus mit Ursprüngen bis ins 13. Jahrhundert wurde 1889 von Franz Kraft, Großvater des hier seine Kindheit verbringenden Tiroler Malers Paul Flora, als „Pension Kraft” eingerichtet. Die Familie übergab es 1939 aufgrund der damaligen Tausendmark-Sperre der einstigen Administratur Innsbruck-Feldkirch, die hier Priesterseminaristen beherbergte, ehe es im Zweiten Weltkrieg Urlauberheim und Lazarett war. 1946 war die Apostolische Administratur endgültig die Pension Kraft und gründete das Exerzitienhaus „St. Michael“. Nach Jahren der Schließung wegen Baufälligkeit und Umbauten startete 1978 erneut der Bildungshausbetrieb. Im Jahr 2017 startete der Neubau.

 

Gedanken zum Projekt

Klaus Lechner, der Abteilungsleiter des Bischöflichen Bauamts, und die Architekten Martin Gamper und Dietmar Ewerz von teamk2 haben in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten ein komplexes Gebäude mit vielen Inhalten geschaffen.

Das Zentrum der Neukonzeptionierung bildet die bestehende Kapelle des bekannten Tiroler Architekten Josef Lackner. Zum einen definiert sie den internen Drehpunkt der Baukörper und Funktionen, zum anderen wird sie von außen als zentraler Bereich der Gebäudekonzeptionierung sichtbar. Durch das Abrücken der Hauptbaukörper wird der Blick auf die Kirchturmspitze freigegeben. Mittels der gut durchdachten Stellung und Größe des Hauptgebäudes wird eine, dem bestehenden Ensemble entsprechende, Identifikationssituation definiert.

Das Bild von der gegenüberliegenden Talseite als fernes Erkennungszeichen bleibt erhalten, das Gebäude wurde jedoch in seiner formalen Umsetzung als schlichter, monolithisch anmutender Bauteil gestaltet.

Mit der bewussten Reduktion der verwendeten Oberflächenmaterialien wurde der Blick auf das Wesentliche angestrebt. Holz, in Form von sägerauher, dunkler Fichte für Fassaden und Sonnenschutzelemente, in Kombination mit Glas und elfenbeinfarbig gestalteten Flächen für die Gebäudeeinschnitte, definieren den Gebäude- bzw. Ensemblecharakter. Durch das Öffnen bzw. Schließen der Sonnenschutz-, Sichtschutz- und Verdunkelungselemente wird der Nutzer gleichzeitig zum Gestalter.

 

Ein Paradebeispiel für ein Haus der Zukunft

Das neue Bildungshaus gilt laut Energieexperten als „Paradebeispiel für das Tiroler Haus der Zukunft“. Es handelt sich um ein hochwertiges, energieeffizientes Gebäude, das einen wichtigen Beitrag zur Energieautonomie Tirols leistet. Innovative Ansätze zu ökologischem Bauen und Sanieren kamen beim Neubau zur Anwendung. Alle Mitarbeiter – von der Geschäftsführerin bis zur Reinigungskraft – sind in den Prozess der Planung und Materialwahl einbezogen worden. So soll gewährleistet werden, dass das Bildungshaus über Jahrzehnte die verschiedensten Anforderungen erfüllen kann. Bis zum Jahr 2050 will Tirol seinen Energiebedarf selbst decken, und zwar durch die Halbierung des Energieverbrauchs sowie eine Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energieträgern. Über 40 % des gesamten Tiroler Energiebedarfs werden für Gebäude aufgewendet. Es gibt also viel Potenzial zur Verbesserung und die Möglichkeit, den CO2-Ausstoß zu senken. Die Diözese Innsbruck geht bereits mit dem guten Beispiel eines umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstils voran. All ihre Gebäude sollen früher oder später wenig an Energie verbrauchen, eine geringe Menge an CO2 ausstoßen, einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien verwenden und ökologische Materialien aufweisen.

 

Klar definierte Funktionsabläufe

Durch die Neukonzeption der beiden Hauptbaukörper (Haus A Veranstaltungshaus und Haus B Bettenhaus) bietet sich die Möglichkeit, das Gebäude einer klaren und funktionellen Nutzungstrennung zuzuführen. Die ursprünglich gewachsene Nutzungsvermischung (Veranstaltungsbereiche, Gästezimmer, Verwaltung, Wohnungen …) wurde aufgehoben, zudem wurden die funktionstechnischen Abläufe verbessert. Gegenseitige Vermischung bzw. Störungen wurden vermieden bzw. minimiert. Konzeptionell ist die Parallelnutzung von Veranstaltungen, auch für unterschiedliche Altersklassen getrennt, möglich, wobei besonders auf die Vermeidung eventueller gegenseitiger Beeinträchtigungen geachtet wurde. Klare, barrierefreie Funktionszonen wurden gebildet, um ein breites Spektrum möglicher Nutzungen zu erreichen.

 

Ein Vorzeigeprojekt in Sachen Energieeffizienz

Gebäude in Holzbauweise in Gebäudeklasse 5 und mit einer klimaaktiv Gold-Zertifizierung zu errichten, ist ein Meilenstein für die zukünftige Baukultur.

Zu verdanken ist dieser Umstand nicht zuletzt allen engagierten, höchst qualifizierten Beteiligten, welche auf beeindruckende Weise gezeigt haben, dass der Wille und die Bereitschaft, um- bzw. neu zu denken, neue Dimensionen in Sachen Energieeinsparung bringt. Der gesamte Gebäudekomplex wird mit zwei großen Luft-Wärmepumpen und einer Photovoltaikanlage versorgt und kommt demnach gänzlich ohne Öl und Gas aus. Admir Music von Alpsolar Klimadesign erklärt anschaulich: „Während beim alten Gebäude ein jährlicher Heizölverbrauch von etwa 33 Fässern á 2.000 l nötig war, kommt das neue Gebäude mit vergleichsweise vier bis fünf Fässern aus (Stromverbrauch umgerechnet nach Energieinhalt Heizöl) – das ergibt also ein Verhältnis von 33:3.

Christina Krimbacher führte die klimaaktiv-Zertifizierung durch und berichtet stolz: „952 von erreichbaren 1.000 Punkten zeigen deutlich, was dieses Gebäude kann. Es hat sich bereits in acht Jahren energetisch amortisiert.“

 

Projekt

Objekt: Neubau des Bildungshauses St. Michael in Matrei am Brenner

Standort: Schöfens 12, 6143 Pfons, Tirol

Bauherr: Diözese Innsbruck Architektur (Entwurfs-, Eingabe-, Polier-, Detail-, Holzbau-, Möbelplanung): teamk2 [architects] ZT GmbH, Maria-Theresien-Straße 40, A – 6020 Innsbruck, www.teamk2.com

Gestaltung Liturgische Orte: teamk2 [architects]

Planung der Haustechnik (Lüftung, Energieausweis, Gebäudesimulation): Alpsolar Klimadesign OG

Tragwerks- und Brandschutzplanung: FS1 Fiedler Stöffler Ziviltechniker GmbH, DI Martin Schindl

Bauphysik und Akustikplanung: DI DR. Anton Kraler

klimaaktiv Zertifizierung: DI Christina Krimbacher, Ingenieurbüro Tassenbacher GmbH

Lichtplanung: Christian Ragg Lichtplanung

Elektroplaner: Rendl Planungs GmbH

 

Zertifizierungen

KlimaAktiv – Gold:
Über 250 verschiedene Chemikalien wurden geprüft für eine Schadstoffoptimierung (während der Bauzeit und für den Betrieb) – eine abschließende Luftqualitätsmessen (Januar 2018) bestätigte, dass sich der Aufwand gelohnt hat.

Ebenfalls wurde eine Zertifizierung im Rahmen des österreichischen Umweltzeichens für Tourismusbetriebe und des EU Eco-Labels durchgeführt. Dadurch wird sichergestellt, dass neben Planung und Bauumsetzung auch der Betrieb des Gebäudes den höchsten Stand an Nachhaltigkeitskriterien eingehalten und laufend überprüft werden.

 

Nachhaltigkeit/Energieeffizienz:

Passivhaus:
5,7 kWh/m²a – lt. Energieausweis

Zum Vergleich bei einem HWB von 5,7 kWh/m²a würden je m² ca. 0,57 l pro Jahr benötigt, um das Gebäude zu heizen. Umgerechnet würden auf ein 150 m² Einfamilienhaus à ca. 85 l Heizöl ausreichen. (Das durchschnittliche Fassungsvermögen einer Badewanne beträgt 120 bis 200 l.)

CO2-Einsparungen:
„Die seit Beginn der Industrialisierung kontinuierlich erhöhten Konzentrationen einer Reihe von Gasen in der Erdatmosphäre führen zu einem anthropogenen (durch Menschen hervorgerufenen) Treibhauseffekt, der den natürlichen Treibhauseffekt verstärkt. Ursache sind Emissionen, die in erster Linie aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern stammen. Daneben spielen nichtenergetische Produktionsprozesse sowie das Konsumverhalten eine Rolle. Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase sind Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid/Lachgas (N2O), FCKW [1], perfluorierte und teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW und H-FKW) sowie Schwefelhexafluorid (SF6).“

Die Kohlendioxid-Emissionen machen ca. 87 % der Gesamtemissionen aus. Durch den Wechsel von Heizöl (ursprünglicher Bestand) auf Luft-Wasser-Wärmepumpen (für Heizung und Warmwasser) ergibt sich eine große Einsparung. Bei der Gegenüberstellung muss auch beachtet werden, dass das neue Gebäude ca. 30 % mehr Nutzfläche hat.

Altbestand:
Heizbedarf 60.000 l Heizöl à 201.120 kg CO2/a

Neubau:
Wärmepumpenbetrieb à 25.275 kg CO2/a

Durch den Wechsel der gesamten Beleuchtung von Glühbirnen und Leuchtstoffröhren auf LED-Beleuchtung

Altbestand: 120.000 kg CO2/a

Neubau: 29.048 kg CO2/a

Photovoltaikanlage mit 33 kWp
Energieerzeugung: 30.991 kWh/s
CO2-Reduktion: 12.923 k g CO2/a

Graue Energie
Unter grauer Energie versteht man die Energie, die zur Herstellung der Baustoffe erforderlich ist.

OI3-Index lt. Energieausweis:
OI3 = 121,50 Punkte

Durch die ökologische Holzbauweise wurden im Vergleich zur Betonbauweise allein bei der Errichtung über die Hauptdächer, Außenwände und Fenster 291.418 kWh an grauer Energie eingespart. Das entspricht der Beheizung von 97 Passivhaus-Einfamilienhäusern pro Jahr (ca. 20 klassische Einfamilienhäuser)

Der Autor

DI Caterina Molzer-Sauper
Innenarchitektin und freie Redakteurin

Caterina Molzer-Sauper lebt in Innsbruck und gründete nach ihrem Architekturstudium ein Technisches Büro für Innenarchitektur. Zudem schreibt sie seit vielen Jahren Texte zu Architekturthemen für diverse Fachmagazine und die Tiroler Tageszeitung.

Kontakt unter:
c.molzer-sauper@chello.at

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